Ich glaub, Kira wäre gerne noch bei uns geblieben.
Aber das, was da bei ihr im Gehirn wütete, ließ es nicht zu, dass Ömchen mit Lebensqualität weiterleben konnte.
Nach mehreren leichten bis mittleren Anfällen in den letzten zwei, drei Wochen, ging es am Ostersonntag heftiger weiter. Maximilian war noch auf der Tour, bei der er Hunde aus Mailand und Brescia nach Deutschland zu ihren Familien brachte. Es war abends, wir waren gelaufen, die Hunde hatten gefressen, Ruhe- und Schlafenszeit.
Doch Kira kam nicht zur Ruhe, im Gegenteil. Ömchen benahm sich, als hätte sie einen Energietrunk geschlabbert, sie drehte total auf, lief schnellen Schrittes hin und her und durch den Garten und wieder rein ins Haus und wieder raus. Irgendwann dachte ich, ich schließe die Terrassentür, doch ich merkte schnell, dass Kira damit gar nicht klar kam. Es war, als fühle sie sich eingesperrt, ich merkte, dass sie einfach raus in den Garten MUSS. Natürlich durfte sie das auch. Kaum legte sie sich hin, stand sie wieder auf und es ging weiter mit dem Laufen. Ich kann nicht mal sagen, wann sie dann endlich zur Ruhe kam. Es war wohl irgendwann zwischen 22 und 23 Uhr.
Nachts wachte sie wie auch schon die Nächte zuvor auf und war dann total desorientiert. Lief auf der Couch ans andere Ende und blieb mit dem Kopf in Richtung Zimmerecke auf der Couch stehen. Als ich ihr den Weg in die andere Richtung zeigte, lief sie von dieser Couch über die andere und sprang wie üblich runter und zum Wassernapf, durch den Wassernapf und dann zur Terrassentüre und nach draußen. In dieser Nacht kam sie aber noch zur Ruhe.
Nicht so in der folgenden Nacht. Es war einfach fürchterlich. Um 01:45 Uhr hörte ich, dass Kira dauerhaft fiepte und brummte. Also stand ich auf, um ihr eine Schmerztablette zu geben. Doch diese half leider nicht. Sie lief durch den Raum, wurde immer schneller und zuckte dabei. Kurz darauf begann der rechte Hinterlauf immer und immer wieder „auszuschlagen“, wodurch Kira natürlich die Standfestigkeit verlor und hin- und her taumelte. Immer und immer wieder. Ich weiß nicht, wie oft ich Kira zur Couch trug in der Hoffnung, dass sie doch zur Ruhe kommt. Aber kaum hatte ich Ömchen auf die Couch gesetzt, sprang sie wieder runter, lief und zuckte und taumelte.
Gegen 02:45 Uhr habe ich Maximilian geweckt, ich fühlte mich total hilflos. Auch seine Bemühungen, Ömchen zu beruhigen schlugen fehl. Sie wollte immer wieder in den Garten, wo sie aber ebenfalls lief, zuckte und taumelte. So haben wir um 03:45 Uhr beim Notdienst angerufen und den aktuellen Stand geschildert. Die Ärztin sagte uns, dass wir quasi nichts tun können außer Kira noch eine weitere Schmerztablette zu geben, was wir dann auch getan haben. Gegen 05:00 Uhr wurde Kira ruhiger und Maximilian legte sich zu ihr auf die Couch.
Am Morgen fuhr Maximilian mit Ömili zum Arzt, während ich mit Zampa, Mila und Morando Gassi ging. Das, was Maximilian mir sagte, als er anrief, traf mich mit voller Wucht: Vielleicht bis Ende der Woche, mehr Zeit wird Kira nicht bleiben. Die Ironie dabei ist, dass die Blutwerte nach wie vor ok sind und sich sogar die Nierenwerte verbessert haben. Aber auch im Wartezimmer und im Behandlungsraum lief Kira dauerhaft im Kreis und auch immer an der Wand oder an den Möbeln entlang. Die rechte Körperhälfte schien komplett geschädigt zu sein.
Ich saß in der Arbeit und dachte, mein Kopf zerspringt. Ich weinte und weinte und konnte nicht fassen, dass der Abschied so nah war. Es tat so unheimlich weh. Dank meines netten Chefs durfte ich dann mittags nach Hause. Ömchen schlief zwar ob des Medikamentencocktails, den ihr der Arzt gespritzt hatte, aber ich wollte einfach bei ihr sein. Kurz, bevor ich nach Hause fuhr, habe ich dann selbst noch mit Herrn Joos telefoniert. Er sagte mir, dass wir vielleicht schon noch etwas Zeit schinden können, aber das war nicht das, was ich wollte. Denn damit war Kira nicht geholfen. Dieses „Zeit schinden“ wäre einzig für uns gewesen. Aber das Risiko, dass Kira erneut so einen schlimmen Anfall in der Nacht hat, war einfach zu groß. So habe ich unseren Tierarzt gebeten, abends nach der Sprechzeit zu uns zu kommen. Er hatte abends einen Termin und sagte zu, dass er zwischen 22 und 23 Uhr bei uns sein wird.
Am Nachmittag war ich dann Zuhause. Kira schlief ziemlich lange, ruhig und tief. Mila lag fast die ganze Zeit neben ihr.
Später am Nachmittag wachte Kira auf, lief in den Garten. Sie wirkte beim Laufen an den Hinterläufen eingefallen, der rechte Hinterlauf war irgendwie verdreht. Ich überlegte, wie ich ihr eine Freude machen kann und habe für die Hunde mehrere Becher Leckerlis im Garten verstreut. Für kurze Zeit wirkte Kira wie früher, schnuffelte und futterte. Es waren aber keine 10 Minuten, dann verlor sie das Interesse und lief ins Haus. Die Medis schienen noch zu wirken und Kira schlief nach einigen Runden im Haus weiter. Ich begann, meine Entscheidung anzuzweifeln, wusste aber, dass ich den Arzt jederzeit anrufen und den Termin absagen kann.
Als Maximilian nach Haus kam, überlegten wir, ob wir mir allen Hunden noch eine Runde laufen. Kira zeigte uns, dass sie mitgehen möchte, also zogen wir sie ob der eisigen Temperaturen warm an und fuhren nach Töpen. Denn eigentlich wollten wir im Wald laufen. Aber dort lag noch zu viel Schnee, Kira hätte daran keine Freude gehabt, so sind wir dann doch zu unserer üblichen Strecke nach Zedtwitz gefahren. Es war erstaunlich. Kira lief. Langsam, nicht besonders kraftvoll, kreiselte aber fast nicht, schnüffelte auch. Ich zweifelte immer mehr und war einfach nicht sicher, ob wir nicht doch versuchen sollten, ob sich der Zustand noch einmal verbessert.
Dann fuhren wir nach Hause, die Hunde bekamen Futter. Kira fraß einen Cheeseburger, Wienerla, Käse und futterte voller Genuss. Man merkte nicht, dass sie schon während des Nachmittags die gesamte Packung italienischer Salami schnabuliert hatte.
Zusammen mit dem Futter bekam sie eine hoch dosierte Schmerztablette für die Nacht. Doch vergebens. Es ging es wieder los. Kira lief, wollte unbedingt trotz eisiger Kälte in den Garten, sie schien sich im Haus eingesperrt zu fühlen, war unruhig und an ein Hinlegen war nicht zu denken. Kaum lag sie, sprang sie wie von Nadeln gestochen wieder hoch und das Laufen ging weiter. Sie schien vollkommen neben sich zu sein und wir wussten, dass dieser Zustand sich in der Nacht verschlimmern würde. Es war an der Zeit und uns war klar, dass unsere Entscheidung, so schmerzhaft sie auch war, richtig war.
Um 22:35 Uhr kam Herr Joos und Kira saß neben mir auf der Couch auf ihrem Schlafplatz. Sie war unruhig, wollte wieder laufen und es war schwer, ihr das Beruhigungsmittel zu geben. Kaum durchströmte es ihren Körper, legte sie ihr Köpfchen auf meine Hand und das Schnaufen wurde ruhiger. Um 22:45 Uhr ging mein geliebtes Ömchen über die Regenbogenbrücke.